Der Kreistag des Landkreises Kassel tagte am 3. Juli in der Mehrzweckhalle Niestetal. Übermäßig lang war die angekündigte Tagesordnung für diese sommerliche Sitzung nicht, aber es war abzusehen, dass es Diskussionsbedarf geben würde; besonders beim Antrag der CDU-Fraktion „Rüstungsstandort Nordhessen unterstützen“. Schon im Vorfeld hatten u.a. DIE LINKE., die Linksjugend [’solid] und die Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte Kriegsdienstgegner*innen zu einer Kundgebung vor dem Tagungsgebäude aufgerufen. Immerhin einige Dutzend interessierte und engagierte Menschen waren gekommen, um ihren Forderungen Aufmerksamkeit zu verschaffen oder einfach die Sitzung zu verfolgen. Auch unsere stellvertretende Landesvorsitzende Silvia Hable war vor Ort und hielt einen klugen Redebeitrag über die Zusammenhänge von Klimakrise und Krieg und forderte eine echte Zukunftsperspektive für die Metallindustrie. Sie merkte an, jetzt sei eine einmalige Chance, Betriebe umzubauen für den ÖPNV, die Energiewende oder soziale Infrastruktur. Ihre Botschaft an die CDU im Landkreis ist klar: Junge Menschen wollen keinen Krieg. Sie wollen nicht für Rüstung arbeiten. Und sie wollen nicht im Krieg verheizt werden.
Was forderte die CDU-Fraktion denn nun genau? Der Antrag enthält drei Punkte:
Zum einen soll der Landkreis die „Unternehmen KNDS, Rheinmetall und weitere Rüstungshersteller als Partner des Berufsorientierungszentrums des Landkreises auf[…]nehmen und bei der Gewinnung neuer Auszubildender aktiv zu unterstützen.“
Dann soll der Landkreis „Prüfung und Auslotung eines geeigneten Areals für eine Teststrecke im Landkreis Kassel zur Erprobung von Fahrzeugen der Unternehmen vor[…]nehmen.“
Und zu guter Letzt „als Schulträger die Bildungseinrichtungen im Landkreis bei der Vorstellung von KNDS, Rheinmetall und weiteren Rüstungsherstellern als potenziellen Arbeitgeber […] unterstützen.“
Der Antrag ist im Original hier zu finden.
Begründet wurde diese Absurdität wie üblich mit Aufschwung, einer angeblichen, potentiellen Steigerung von Arbeitsplätzen, Wohlstand und Sicherheit. Warum das ausschließlich für diese speziellen Unternehmen, bzw. Rüstungshersteller, gelten soll und nicht bei anderen, wurde nicht deutlich. Ebenso, warum sich eine Vielzahl anderer Unternehmen ausgerechnet an einer Teststrecke für Fahrzeuge von KNDS ansiedeln würden. Potentielle Standorte nannte die CDU-Fraktion nicht – vielleicht auch, weil kaum jemand vor Ort begeistert wäre von der Idee, ständig dem Lärm von tonnenschweren 1500-PS-Bulliden ausgesetzt zu sein? Mit einer Mindestgröße von 100 Hektar – die HNA rechnet plastisch in über 140 Fußballfeldern – zu denen sicherlich noch Anfahrtsmöglichkeiten und Peripherie dazukommen, wäre das Gelände auch nicht gerade klein.
Noch einmal perfider ist der Versuch, Schulen und Berufsorientierung vor den Karren zu spannen, um Werbung für die genannten Unternehmen zu machen, bzw. sich als Werbeplattform herzugeben. Denn nichts anderes kann ja eine solche Unterstützung oder Partnerschaft bedeuten. So gebietet es die ansonsten so gerne von der CDU angeführte Neutralitätspflicht von Bildungseinrichtungen eigentlich, niemals Unternehmen exklusiv zu unterstützen; noch dazu per politischem Beschluss. An dieser Stelle drückt man dann aber doch lieber wieder beide Augen zu, wenn es einem selbst in den Kram passt. Dass hier außerdem nur wirtschaftliche Überlegungen eine Rolle spielen und keinesfalls die Interessen junger Menschen, bedarf eigentlich keiner weiteren Betonung, wurde aber unangenehm deutlich.
Für ein wenig Wirbel sorgte auch der Wortbeitrag unseres Kreistagsmitglieds Jan Kersting, als er die Rüstungsbranche treffend als „Geschäft mit dem Morden“ einordnete. Dadurch fühlte sich ein Vertreter der Union persönlich beleidigt und pochte auf eine Rüge. Kersting blieb dabei, und das aus gutem Grund. Kriegswaffen dienen ausschließlich dem Töten von Menschen, egal mit welchen Versprechungen sie verkauft werden. Geschäfte mit Rüstungsgütern können nicht leichtfertig abgetan werden.
Wer Kriegsproduktion politisch vorantreibt, trägt auch Verantwortung für die Folgen.
Apropos Folgen von Krieg: Unser Antrag, ehrenamtliches Engagement in der Flüchtlingshilfe stärker zu würdigen, sowie die Broschüre „Wegweiser für die Flüchtlingshilfe“ neu und aktualisiert aufzulegen, wurde leider deutlich abgelehnt.
Die dreiste Rüstungs-Offensive der Unionsfraktion scheint also vorläufig abgewendet. Jedoch rechnen wir zukünftig mit weiteren Vorstößen in diese Richtung, denn das Verhältnis ihrer Abgeordneten zu den Rüstungsriesen ist bekanntlich recht eng. Auch die Absage der anderen Fraktionen hätte deutlicher ausfallen müssen. So betonte die SPD, ähnlich wie andere Fraktionen und Abgeordnete, den Antrag aus formalen Gründen abzulehnen – also nicht aus einer inneren Überzeugung heraus. Dazu sei auch erwähnt, dass AfD, FDP, und Freie Wähler teilweise mit den Forderungen mitgingen, als diese einzeln abgestimmt wurden.
Es bleibt wohl also wieder an uns Linken, weiter an der Seite engagierter Menschen für einen friedlichen und nachhaltigen Landkreis zu kämpfen.



